Japans ehemaliger Kaiser Akihito winkt auf dem verglasten Balkon seines Palastes. Akihito wird am 23. Dezember 90 Jahre alt. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Eugene Hoshiko/AP/dpa)

Es ist ruhig geworden um Japans Ex-Kaiser Akihito. Zurückgezogen lebt der frühere Monarch in einer Residenz im Herzen Tokios unweit seines alten Palastes. Natsukashii – ein Gefühl der Wehmut, der Nostalgie – müssen der frühere Monarch, der am 23. Dezember 90 Jahre alt wird, und seine Gemahlin Michiko verspüren, seit Akihito nach seiner Abdankung 2019 den Thron seinem Sohn Naruhito überließ und nach Renovierungsarbeiten hierher zurückkehrte.

Dass Akihito und Michiko ihren Lebensabend in dieser Residenz, wo sie einst schon als Kronprinzenpaar lebten, verbringen würden, war keine Selbstverständlichkeit. Eigentlich sind Japans Kaiser bis zum Tode im Amt und verbringen ihr Leben entsprechend bis zum Schluss hinter dem Chrysanthemenvorhang des Palastes. Doch Akihito wollte es anders. Wie er überhaupt ein Mann ist, der so manches anders machte als andere Monarchen vor ihm und die Institution des Kaisertums neu definierte.

Schon als Kronprinz hatte Akihito 1959 mit der fast 2000 Jahre alten Hoftradition gebrochen, indem er mit der Unternehmertochter Michiko Shoda eine Bürgerliche heiratete. Ihre Kinder kamen in einem Krankenhaus und nicht im Palast zur Welt. Michiko schaffte die Amme ab und stillte ihre Kinder selbst, bis dahin unvorstellbar. Während Akihito wie üblich ab dem dritten Lebensjahr von einer fremden Familie aufgezogen wurde, erzogen er und Michiko ihre Kinder selbst.

Frieden von zentraler Bedeutung

Akihito war zudem der erste Tenno (Himmlischer Herrscher), der sein Amt nicht mehr als Gott antrat. Sein 1989 gestorbener Vater Kaiser Hirohito, posthum Showa-Tenno genannt, hatte am 1. Januar 1946 in seiner sogenannten Menschlichkeitserklärung der Göttlichkeit des Kaisers entsagt. In seinem Namen war Japan in den Zweiten Weltkrieg gezogen. Die Grauen des Krieges prägten seinen Sohn und Nachfolger Akihito so stark, dass für ihn Frieden zur zentralen Bedeutung wurde.

Drei Jahrzehnte hat Akihito, dessen Ära den Namen «Heisei» (Frieden schaffen) trug, seinen Untertanen treu der Verfassung als Symbol der Einheit der Nation gedient. Dabei war Akihito seinem Volk so nahbar wie kein Kaiser vor ihm. Zwar durfte sich Akihito politisch nie äußern – etwas, das für ihn auch jetzt während seines Ruhestandes weiter gilt. Dennoch wurde Akihito zum Verfechter der pazifistischen Nachkriegsverfassung – indem er das Thema Frieden in fast alle seine Reden einbaute und auf diese Weise indirekt Kritik an denen übte, die versuchen, Japans kriegerische Vergangenheit zu rechtfertigen.

Nun, da Akihitos Memoiren für die Zeit nach seinem Tod geschrieben werden, sind Fachleute gespannt, ob sich darin Akihitos politische Gedanken wiederfinden. «Ich bin mir sicher, dass seine Äußerungen wiedergegeben werden», sagt der Japanologe und Kaiserexperte Ernst Lokowandt. Doch es gibt noch ein anderes ernstes Thema, das Akihito am Herzen liegt: die Frage der Thronfolge. Es geht dabei um nichts anderes als die Zukunft der Monarchie. Und die möchte Akihito noch zu seinen Lebzeiten gesichert wissen. Doch das liegt an den Politikern.

Versprochen hatten die es ihm, als Akihito 2019 aus gesundheitlichen Gründen abdankte und damit der erste Monarch seit rund 200 Jahren wurde, der noch zu Lebzeiten den Thron seinem Nachfolger überließ. Möglich wurde dies, weil das Parlament für ihn ein Sondergesetz erließ. Für seinen Sohn Naruhito gilt wieder die alte Regel. Ihr Versprechen, nun auch die Frage der Thronfolge schnell zu lösen, erfüllten Japans Politiker ihrem scheidenden Kaiser jedoch nicht.

Bescheidenheit und Volksnähe

«Akihito hat allen Grund, böse zu sein», sagt Kaiserexperte Lokowandt. Denn noch immer verbietet das Hofgesetz Frauen auf dem Thron. Prinz Hisahito (17), Sohn von Akihitos jüngstem Sohn, Kronprinz Akishino, ist jedoch das einzige noch verbliebene männliche Mitglied der jüngsten Generation der Kaiserfamilie. Sollte Prinz Hisahito eines Tages nicht für männlichen Nachwuchs am Hofe sorgen, dann «hört das Kaiserhaus auf zu existieren», erklärt Lokowandt.

Würde das Haushofgesetz jedoch so geändert, dass grundsätzlich das erstgeborene Kind – unabhängig vom Geschlecht – auf den Thron kommt, wäre das Nachwuchsproblem gelöst. Dann würde auch einer Tochter dies ermöglicht. Mit anderen Worten: Akihitos Enkelin Aiko würde Kaiserin. Es hängt also von der Politik ab, ob Akihitos Hoffnung auf eine abgesicherte Zukunft seiner ältesten Erbmonarchie der Welt erfüllt wird. Es wäre ein würdiges Geschenk zu seinem 90. Geburtstag gewesen.

Doch so muss der Monarch nun auch mit 90 Jahren weiter warten. In einer Hinsicht hat er jedoch schon selbst vorgesorgt: Kurz vor seinem 80. Geburtstag hatte das Haushofamt bekanntgegeben, dass er und seine geliebte Gemahlin auf ausdrückliche Anregung Akihitos hin feuerbestattet werden – so wie es auch im normalen Volk üblich ist. Und wieder hat Akihito damit etwas Ungewöhnliches am Hofe bewirkt. 350 Jahre lang war es Tradition gewesen, dass Japans Monarchen beerdigt werden. Akihito veranlasste zudem, dass die kaiserliche Grabstätte verkleinert wird. Auch dies wird als ein weiteres Zeichen für Akihitos Bescheidenheit und seine Nähe zu seinem Volk gewertet.

Von Lars Nicolaysen, dpa