Blick auf die Baustelle «Archäologische Zone - Jüdisches Museum MiQua» - im Hintergrund der Kölner Dom und das Historische Rathaus. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Rolf Vennenbernd/dpa)

Wenn man sich als Tourist durch das Zentrum von Köln bewegt, trifft man eher früher als später auf eine Baustelle. Sie befindet sich in allerbester Lage mitten auf dem Rathausplatz. Was ist hier los?

Zu Beginn dieses Jahrtausends haben die Kölner direkt vor ihrem historischen Rathaus in der Erde gegraben und einen Schatz aus einem anderen Millennium gefunden: das Judenviertel. Komplett mit Tanzhaus, Hospital, Bäckerei und Synagoge. Alles aus dem Mittelalter. Eine Stadt in der Stadt, eine Miniaturwelt zusammengedrängter Häuser. Natürlich sind es Ruinen – man braucht etwas Fantasie, um sich vorzustellen, wie das Ganze einmal ausgesehen hat. Doch Experten aus dem In- und Ausland sind sich einig: So etwas gibt es weltweit nicht noch einmal.

Keine andere deutsche Stadt ist seit so langer Zeit mit jüdischer Geschichte verbunden. Seit dem Jahr 321 ist eine jüdische Gemeinde in Köln dokumentiert, damit ist sie sogar die älteste nördlich der Alpen. 1349 war das Viertel zerstört worden; seine Bewohner wurden ermordet oder vertrieben. Den Juden wurde damals die Schuld am Ausbruch der Pest zugeschrieben.

Zurzeit wird die Fundstätte auf dem Rathausplatz mit einem Museum überbaut. Es wird eine Parallelwelt im Untergrund: Auf einem 600 Meter langen Parcours werden die Besucher das Leben im Judenviertel zur Zeit der Ritter und Minnesänger nacherleben können – und außerdem den schon in den 1950er Jahren wiederentdeckten Statthalterpalast aus der Römerzeit. Nach dem Namen für das jüdische Ritualbad, Mikwe, wird das Museum MiQua genannt.

Zu den Exponaten werden viele Artefakte gehören, die bei den Ausgrabungen gefunden worden sind. Darunter ist ein halbmondförmiger, edelsteinbesetzter Goldohrring aus dem 11. Jahrhundert. Auch entdeckten die Forscher eine aus dem Mittelalter stammende Tafel mit der Aufschrift «yt in ys neyt anders». Man könnte das übersetzen mit: «Et is wie et is» (Es ist wie es ist) – eine klassische Kölner Spruchweisheit. Funde wie dieser zeigen, dass die Juden jahrhundertelang Kölner unter Kölnern gewesen sind.

Die Eröffnung des Museums ist für 2024 geplant, man muss sich also noch etwas gedulden. Aber durch die Panorama-Fenster im dritten Stock des ebenfalls am Rathausplatz gelegenen Wallraf-Richartz-Museums kann man den Fortgang der Bauarbeiten schon verfolgen. Und auf der Website https://miqua.blog/ findet man jede Menge Informationen.

Doch nicht nur in Köln gibt es etwas zu sehen – das Jubiläumsjahr «1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland» wird 2021 bundesweit gefeiert – es gibt rund 1000 Veranstaltungen. So organisiert Hamburg eine Themenwoche unter dem Titel «Mehr als Klein-Jerusalem», in Nürnberg ist die Foto-Ausstellung «Deutschlands Emigranten» zu sehen, und in Herxheim in Rheinland-Pfalz wird das Theaterstück «Judas» von Lot Vekemans aufgeführt.

Am wichtigsten sind vielleicht Angebote, wie sie zum Beispiel die Volkshochschule Herrenberg in Baden-Württemberg macht: In einer Online-Veranstaltung können sich dort jüdische und nichtjüdische Menschen zu lebendigem Austausch begegnen. Titel: «Meet a Jew» – triff einen Juden!

Von Christoph Driessen, dpa