Das Kinks-Kapitel ist für Ray Davies noch lange nicht abgeschlossen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Javier Etxezarreta/EFE/EPA/dpa)

Das Konzeptalbum «Lola Versus Powerman And The Moneygoround, Part One» gilt als Meilenstein der Kinks. Die Satire auf die Musikindustrie erscheint zum 50. Jubiläum in einer Neuauflage mit viel Bonusmaterial.

Bandleader Ray Davies (76) erzählt im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur, warum das Album an einem Wendepunkt kam und spricht über die Zukunft der Kinks.

Frage: Bis «Lola Versus Powerman» rauskam, lief es kommerziell nicht so gut. Sie hatten viele Hits, wurden aber kaum finanziell daran beteiligt. Sie haben also vor allem von Konzerten gelebt?

Antwort: Genau, die Konzerte haben uns über Wasser gehalten. Wir hatten damals keine Ahnung. Bands von heute sind ziemlich smart, wenn sie Verträge abschließen. Aber damals war es ein ganz neues Geschäft, es gab keine Anleitung dafür. Es war wie der Wilde Westen. Glücklicherweise haben wir es überlebt und konnten «Lola Versus Powerman» machen. Das Album steht für Freiheit und unsere Rückkehr in die USA, nachdem wir dort vier Jahre nicht auftreten durften. Es war eine befreiende Zeit für uns. [Anm.: Nach einem Vorfall bei einer TV-Show galt in den USA bis 1969 ein Auftrittsverbot für die Kinks.]

Frage: Der Song «Lola» handelt von einem Mann in Frauenkleidern, der für eine Frau gehalten wird. Die Botschaft ist: Das Geschlecht ist doch egal, solange man ein netter Mensch ist. Heute ist das nichts Besonderes, aber damals war das durchaus kontrovers, oder?

Antwort: Es war kontrovers, aber das war nicht meine Absicht. Es basierte er auf einem wirklichen Vorfall in Paris 1966. Unser Manager hat dort eine sehr hübsche Frau aufgegabelt und mit zu sich genommen. Bei Licht hat er dann festgestellt, dass es sich um einen Mann handelt. Diese Geschichte ging mir nicht aus dem Kopf. In dem Song geht es um Freiheit. Die Kinks haben immer schon die Außenseiter angezogen. Die Außenseiter, das wäre auch ein guter Bandname gewesen.

Frage: «Apeman» klingt immer noch ziemlich aktuell. Sie singen von Hungersnot, verrückten Politikern und Luftverschmutzung…

Antwort: Ja, den Song hätte ich auch heute so schreiben können. Es ist eine ehrliche Aussage, kein politisches Statement. Trotzdem haben es viele Leute damals als sehr politisch empfunden.

Frage: Auf der neuen Deluxe Edition des Albums sind Gespräche zwischen Ihnen und Ihrem Bruder und früheren Bandkollegen Dave Davies über die alten Zeiten zu hören. Was hat es damit auf sich?

Antwort: Wir sprechen nicht oft miteinander und treffen uns nur ganz selten, aber wir sind sehr aufrichtig miteinander. In dem Fall habe ich das Band allerdings einfach beim Teetrinken in der Küche laufen lassen. Er wusste nicht, dass er aufgenommen wird, aber er weiß, dass wir das rausbringen. Er ist damit einverstanden.

Frage: Wie würden Sie das Verhältnis zu ihm heute beschreiben?

Antwort: Es war immer sehr schwierig. Wir haben natürlich eine brüderliche Verbindung. Aber als er zu den Kinks kam, sind wir von Brüdern zu Arbeitskollegen geworden. Wir hatten harte Phasen, die Band ist zerbrochen, trotzdem war er immer da, um mir in schweren Zeiten zu helfen. Er kann aber auch ganz schön nerven.

Frage: Vor ein paar Jahren haben Sie eine Reunion und ein neues Kinks-Album in Aussicht gestellt. Wie ist der Stand?

Antwort: Ich habe viele Outtakes und anderes Zeug gefunden, an dem wir gearbeitet haben, bevor Mick (Avory, Schlagzeuger) die Band 1984 verlassen hat. Dazu hab ich vier oder fünf Songs, die ich gern mit ihm einspielen würde. Das Wunder der Technik macht es möglich, dass wir das an verschiedenen Orten tun. Dave und Mick sind nie miteinander ausgekommen, aber ich hab sie immer dazu gekriegt, die Aufnahmen zu machen. Wenn ich sie bewegen kann, diese fünf Songs aufzunehmen und das mit den Outtakes kombiniere, ist es ein Album.

Frage: Das klingt nicht so, als würden wir Sie in nächster Zeit als The Kinks auf der Bühne sehen …

Antwort: Momentan ist alles so unsicher. Ich glaube, diese Epidemie wird vieles in der Gesellschaft verändern und die Musikindustrie wird sich anpassen. Es werden neue Musiker nachkommen. Durch die Erfahrung des Lockdowns entstehen neue Verbindungen. Ich schätze es hängt davon ab, wie sich die Welt dreht.

Frage: Höre ich da ein bisschen Optimismus raus?

Antwort: Absolut.

Frage: Sie würden schon gern wieder – solo oder mit Band – auf der Bühne stehen, wenn die Pandemie vorüber ist?

Antwort: In gewisser Weise schon. Denn es ist wichtig, den direkten Kontakt zu halten. Momentan wird so viel über Zoom gemacht, das ist wunderbar. Aber es wäre schön, die Leute zur Abwechslung mal wieder in Fleisch und Blut zu sehen.

ZUR PERSON: Ray Davies wurde am 21. Juni 1944 in London geboren. Mit seinem Bruder Dave gründete er 1963 The Kinks, die zahlreiche Hits («You Really Got Me», «Sunday Afternoon») hatten und bis heute zu den einflussreichsten britischen Rockbands zählen. 1996 hatte die Gruppe ihren letzten Auftritt. Davies hat mehrere Soloalben veröffentlicht und gab bis zur Corona-Pandemie regelmäßig Konzerte.

Copyright 2020, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten, Interview: Philip Dethlefs, dpa