Der Koch und Moderator Horst Lichter im Savoy Hotel in Köln. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Rolf Vennenbernd/dpa)

Horst Lichters Sohn ist vor einiger Zeit 28 Jahre alt geworden. Lichter nahm das zum Anlass, mal zu überlegen, wo er selbst mit 28 stand. Man kann sagen: Es waren nicht gerade ruhige Tage.

«Da hatte ich den zweiten Gehirnschlag hinter mir und dazu noch einen Herzinfarkt. Ich hatte gerade meinen sicheren Arbeitsplatz im Braunkohle-Tagebau hingeschmissen und meine Familie verlassen. Und ich hatte angefangen, in einer alten Halle mit Lehmboden mein Restaurant zu bauen», erinnert er sich. Geld habe er keines gehabt. Dafür aber satte 96 Kilo auf der Waage.

Lichter, 59 Jahre alt, Koch und Moderator, erzählt das alles, während er entspannt bei einem Glas Wasser in einem schicken Kölner Hotel sitzt und beim Reden seinen berühmten Schnauzbart tanzen lässt. Zwischen damals und heute ist viel passiert. Lichter hat darüber ein Buch geschrieben – auch wenn das Sinnieren über die eigene Biografie auf den etwa 200 Seiten eher durch die Hintertür Eingang findet. Titel: «Ich bin dann mal still. Meine Suche nach der Ruhe in mir.»

Lichter, der als Dampfplauderer gilt («Ich bin nicht der Typ, der einer Unterterhaltung aus dem Weg geht») schreibt darin über das Experiment, ihn in ein Schweigekloster zu stecken. Der Verlag hatte sich das für ihn so ausgedacht. Den ersten Teil kann man auch als Comedy-Programm lesen. Lichter, der als TV-Koch vor allem für seinen hemmungslosen Gebrauch von Butter und Sahne bekannt war, bekommt darin karge Käsebrote vorgesetzt, bevor er in einem Zen-Kurs fast wahnsinnig wird. Ihm ist das alles zu viel spirituelles Chichi. Das frühe Aufstehen ohne Frühstück fällt ihm zudem schwer, weil Lichter im normalen Leben erstmal ein «Tässchen schwarzes Koffeingold» schlürft und danach aufs Klo geht, wie man erfährt.

Die ersten drei oder vier Tage sei er daher «auf Krawall gebürstet», sagt Lichter. Danach aber habe er gelernt, an seiner «Toleranz» zu arbeiten. «Es ist nichts für mich – aber vielleicht für andere.»

Ab etwa der Hälfte kippt die Erzählung. Lichter schiebt den ganzen Zen-Kurs-Klimbim beiseite und denkt – auch weil das Schweigen dann doch irgendetwas mit ihm macht – über seinen Lebensweg nach. Und der hat es, das muss man sagen, in sich.

Lichter wurde in einfachen Verhältnissen im Ort Rommerskirchen zwischen Köln und Düsseldorf geboren. Den Dialekt hat er sich bis heute bewahrt, weshalb man ihn in Rest-Deutschland für den ultimativen Rheinländer hält. «Der einzige Urlaub, den es mal gab, war bei Tante und Onkel in der Eifel. Ich habe auch keine höhere Schule, ich bin Hauptschüler», erzählt er.

Er machte eine Ausbildung zum Koch, landete aber irgendwann in einer Braunkohlefabrik. Er schuftete und schuftete – bis sich sein Körper meldete. Mit 26 erleidet er einen Hirnschlag. «Gott im Himmel», habe er gedacht, «jeder wird mal krank. Ein Bein, das gebrochen ist, heilt auch wieder.» Dann aber folgt ein zweiter und Lichter merkt nach eigenen Angaben, dass er «ein falsches Leben» lebt. Nicht nur im Job.

«Ich hatte mit 19 Jahren geheiratet. Warum? Weil ich dachte, ich liebe diese Frau. Aber man muss ehrlich sein: Das war keine wahre Liebe, es waren Hormone», erzählt er. Nach dem zweiten Schlag habe er gewusst: Wenn es so weiter geht, ist alles vorbei. Er findet so zurück zum Kochen – mit einem eigenen Lokal und lauter Trödel, den er schon immer liebte. «Und in dem Laden habe ich dann mehr gearbeitet, als je zuvor», erzählt er. Geschlafen habe er nur noch drei oder vier Stunden. «Aber mir ging es besser als je zuvor.»

Das Kochen ist für ihn heute nicht mehr so ein großer Faktor – der Trödel schon. Seine Show «Bares für Rares», in der Leute altes Zeugs aus ihrem Haushalt – mal Plunder, mal Kostbarkeiten – feilbieten wurde zu einem noch größeren Erfolg als die Kochshows, die er machte, nachdem ihm das Fernsehen entdeckt hatte. Um sie zu produzieren, schlief er 200 bis 270 Nächte im Jahr in dem Hotel, in dem er nun über all das spricht. Mittlerweile haben er und seine heutige Frau sich wieder ein eigenes Haus in der Nähe gesucht.

Lichter knausert in dem Buch nicht mit Sätzen, die diesen immensen Aufschwung kaschieren («Ich bin immer wieder erstaunt, wo ich manchmal die Kraft herhole, in diesem Showgeschäft nicht unterzugehen»). Zudem gibt er die ein oder andere Rosamunde-Pilcher-Weisheit mit auf dem Weg, die vielleicht auch der von ihm belächelte Zen-Meister hätte formulieren können. Etwa: «Konsum ist Beiwerk, er kommt und geht. Erinnerungen muss man sich schaffen, die bleiben für immer in der ewigen Schatztruhe deiner Seele, im Wohlfühlspeicher deines Herzens.»

Aber das muss man ihm bei diesem irren Leben wohl auch zugestehen. Zum Schluss schreibt er selbst: «Ich habe so viel Wunderbares erleben dürfen, wenn ich jetzt gehen muss, dann ist es okay.» Darüber hinaus erfährt man, dass er sich nun auch einfach mal neben sein Lieblingsmoped setzt, statt damit zu fahren. Für ihn ist das Stille.

Zudem hat er sich überlegt, was er seinem Sohn antworten würde, wenn der mit dem Wunsch käme, seinen sicheren Job aufzugeben, um in einer Scheune auf dem Dorf ein Lokal aufzumachen. «Ich würde ihm vermutlich davon abraten», sagt Lichter. «Ich habe das aber so gemacht.»

Horst Lichter mit Till Hoheneder: Ich bin dann mal still. Meine Suche nach der Ruhe in mir, Knaur Balance, München, 208 Seiten, ISBN 978-3-426-46103-7, 18 Euro (eBook 15,99 Euro)

Von Jonas-Erik Schmidt, dpa