Regisseur David Cronenberg wird 80. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Kirsty Wigglesworth/AP/dpa)

Seinen Ruf als Schockfilmer, mit Bildern von platzenden Köpfen, ekelerregenden Parasiten oder pulsierenden Organen, hat David Cronenberg über Jahrzehnte hinweg zementiert. Auch in seinem jüngsten Film «Crimes of the Future», den der preisgekrönte Regisseur im vorigen Jahr bei den Filmfestspielen in Cannes vorstellte, ging es mit Körperveränderungen und herausgeschnittenen Organen grausig-blutig zur Sache.

Der Kanadier, der an diesem Mittwoch (15. März) 80 Jahre alt wird, hat dabei unzählige Fans, darunter die US-Schauspielerin Kristen Stewart – neben Viggo Mortensen und Léa Seydoux einer der «Crimes of the Future»-Stars. Sie habe Freude an Cronenbergs morbiden Bildern, führte Stewart beim Festival aus. «Jedes einzelne klaffende, blutende, pulsierende, seltsame Bild, jedes bisschen Verletzung, jeder Bluterguss in seinen Filmen – hinterlässt mich sprachlos. Es zieht einen hinein, und es schreckt mich einfach niemals ab.»

Body-Horror

Das Science-Fiction-Drama erzählt von einer dystopischen Zukunft, in der Menschen durch Technologien ihre Körper verändern können, sich neue Organe wachsen lassen, ohne Schmerzen zu empfinden. Cronenberg schrieb damit sein erstes Sci-Fi-Drehbuch seit seinem Cyber-Thriller «eXistenZ» (1999) über die Erfindung eines Computerspiels mit einem Bioport, der die Menschen per Nabelschnur in künstliche Welten versetzt. Die Berlinale ehrte ihn damals mit dem Silbernen Bären.

Das Filmgenre des Body-Horrors hatte Cronenberg zuvor schon genial in dem Thriller «Die Fliege» (1986) umgesetzt. Darin mutiert ein Jungforscher (Jeff Goldblum) nach einem missglückten Gen-Experiment zu einem monströsen Insektenwesen, halb Mensch, halb Fliege.

Cronenbergs frühere Welten kreisten um Sex, Fetischismus und Übergriffe der Technik auf das menschliche Leben. Die Szenarien waren faszinierend, abstoßend und kontrovers, wie schon in «Shivers» («Parasiten-Mörder»), seinem ersten kommerziellen Erfolg im Jahr 1975. Da ging es um phallische Würmer, die Menschen in einer Hochhaussiedlung befallen und sie in sexwütige Mordmaschinen verwandeln.

Spätestens nach «Scanners» (1981) und der Stephen-King-Verfilmung «Dead Zone – Der Attentäter» (1983) wurde Hollywood auf den Kanadier aufmerksam. Auf «Die Fliege» (1986) folgte dann mit Jeremy Irons in einer Doppelrolle der Horror-Film «Die Unzertrennlichen» (1988) und die Romanverfilmung «Naked Lunch» (1991).

Kritik und Auszeichnungen

Geteilt waren die Meinungen bei «Crash» (1996), der Verfilmung von J. G. Ballards Roman über Menschen, die aus Verkehrsunfällen und entstellenden Verletzungen ihren sexuellen Kick beziehen. «Abstoßende Pornografie», urteilten einige Kritiker, in England durfte der Film nicht in den Kinos laufen. Gelassener wurde das bei den Filmfestspielen in Cannes gesehen: Für seine «Kühnheit und Originalität» wurde Cronenberg dort mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet.

Mit Hauptdarsteller Viggo Mortensen in dem Rachethriller «A History of Violence» (2005) wandte sich der Regisseur vom Horror ab, setzte aber weiter auf Schrecken und Gewalt. Mortensen war 2007 auch der Star in «Tödliche Versprechen – Eastern Promises» über die Russenmafia in London. Das Drama «Eine dunkle Begierde» drehte sich um Sigmund Freund und Carl Gustav Jung. Michael Fassbender und Mortensen spielten in dieser Charakterstudie die Väter der Psychoanalyse. 2012 brachte er mit «Cosmopolis» den gleichnamigen Bestseller von Autor Don DeLillo auf die Leinwand. Mit Robert Pattinson in der Hauptrolle erzählt er die Story eines Wall-Street-Spekulanten auf Streifzug durch Manhattan. 2014 führte er bei dem Satire-Drama «Maps to the Stars» mit Julianne Moore Regie.

Für einen Oscar war Cronenberg bisher nicht nominiert, aber an Ehrungen mangelt es nicht. 2018 zeichnete ihn das Filmfestival Venedig mit einem Goldenen Ehrenlöwen für sein Lebenswerk aus. Festivaldirektor Alberto Barbera würdigte ihn als einen der «wagemutigsten und anregendsten Regisseure aller Zeiten».

Im vorigen Herbst nahm Cronenberg in Spanien beim Filmfestival von San Sebastián den Ehrenpreis «Donostia» entgegen.

Neues Projekt

Früher habe er Lebenswerkpreise immer als Hinweis gesehen, dass man genug Filme gedreht habe und nun aufhören solle, witzelte der Regisseur in Spanien in seiner Dankesrede. Aber jetzt sehe er das mehr als Ansporn, weiter zu arbeiten.

Mit dem Film «The Shrouds» (auf Deutsch: Leichentücher) steht das nächste Projekt für dieses Jahr schon an. In dem übernatürlichen Thriller sollen Vincent Cassel und Léa Seydoux mitspielen. Die Story dreht sich um einen Mann, der den Tod seiner Frau nur schwer überwindet. Er sucht nach einem Weg, um mit Verstorbenen in Kontakt zu treten. Dies sei für ihn ein sehr persönliches Projekt mit autobiografischen Zügen, sagte der Regisseur in San Sebastian.

Cronenbergs zweite Frau, Carolyne Cronenberg, war 2017 nach langer Ehe im Alter von 66 Jahren gestorben. Das Paar hatte zusammen zwei Kinder, der Regisseur brachte eine weitere Tochter in die Ehe mit. Alle drei sind im Filmgeschäft tätig. 2012 hatte Sohn Brandon mit dem Sci-Fi-Horrorfilm «Antiviral» in Cannes sein Regiedebüt vorgestellt. Auch mit dem Schocker «Infinity Pool», der im Januar beim Sundance Festival Premiere feierte, blieb er dem bewährten Genre seines Vaters treu.

Von Barbara Munker, dpa