Jon Batiste war mit fünf Grammys der große Sieger des Abends. (Urheber/Quelle/Verbreiter: John Locher/Invision via AP/dpa)

«Füllt die Stille mit eurer Musik»: Mit diesem eindringlichen Appell hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei der Grammy-Verleihung in Las Vegas am Sonntagabend (Ortszeit) per Video-Botschaft um Unterstützung für sein Land gebeten.

«Was könnte gegenteiliger zu Musik sein als Krieg?», sagte Selenskyj während der Gala, bei der Stars wie Jon Batiste, Olivia Rodrigo und das Duo Silk Sonic Preise abräumten.

«Füllt die Stille mit eurer Musik. Füllt sie heute, um unsere Geschichte zu erzählen. Unterstützt uns auf jegliche Art und Weise, die euch möglich ist», bat Selenskyj mit Blick auf den Angriffskrieg Russlands. Er träume davon, dass die Menschen in den umkämpften ukrainischen Städten wieder frei leben könnten – «so frei wie ihr auf der Grammy-Bühne», sagte der Präsident, bevor US-Sänger John Legend gemeinsam mit ukrainischen Musikerinnen vor Abbildungen der Landesfahne einen der Ukraine gewidmeten Song sang.

Ansonsten aber versuchten die Veranstalter der Grammys, die Gala weitgehend fröhlich und sorglos zu gestalten. «Seht es gar nicht als Preisverleihung. Seht es als Konzert, wo es auch Preise gibt», sagte Moderator Trevor Noah zum Auftakt – bevor er auf den Ohrfeigen-Eklat um Schauspieler Will Smith bei der Oscar-Gala vor einer Woche anspielte: «Wir werden Musik hören, wir werden tanzen, wir werden singen, wir werden die Namen von Menschen aus unseren Mündern lassen und wir werden Auszeichnungen vergeben.»

Bei der Oscar-Verleihung hatte Smith den Komiker Chris Rock auf der Bühne geohrfeigt, nachdem dieser einen Witz über Smiths Frau gemacht hatte. Danach hatte Smith von seinem Platz aus noch zweimal gerufen: «Lass den Namen meiner Frau aus deinem verdammten Mund!»

In den Hauptkategorien der Grammys räumten der Musiker Jon Batiste, die Sängerin Olivia Rodrigo und das Duo Silk Sonic ab. Batiste, der mit insgesamt elf Nominierungen als Favorit in die Gala gegangen war, gewann fünf Auszeichnungen, darunter den Grammy in der Kategorie «Album des Jahres» für «We Are». Er glaube eigentlich gar nicht daran, dass es so etwas wie einen besten Künstler gebe, sagte der 35-Jährige im schwarzen Glitzerumhang bei seiner Dankesrede. «Die kreativen Künste sind subjektiv und sie finden einen Menschen an einem bestimmten Punkt in seinem Leben, wenn er es am meisten braucht.»

«Größter Traum wahrgeworden»

Sängerin Rodrigo gewann insgesamt drei Grammys, darunter den als «beste neue Künstlerin». «Damit ist mein größter Traum wahrgeworden», sagte die 19-Jährige unter Tränen und erzählte in einer späteren Dankesrede auch noch, dass sie bereits als Neunjährige ihrer Mutter gesagt habe, dass sie eines Tages einen Grammy gewinnen werde. Das Duo Silk Sonic, bestehend aus Bruno Mars (36) und Anderson .Paak (36), gewann mit dem Song «Leave the Door Open» in den Kategorien «Aufnahme des Jahres» und «Song des Jahres». «Wir versuchen ja wirklich bescheiden zu bleiben, aber in der Branche nennt man das Abräumen», sagte .Paak. «Die Getränke gehen alle auf Silk Sonic heute.»

Die 64. Grammy-Gala war ursprünglich für den 31. Januar geplant gewesen, wurde dann aber wegen der rasanten Ausbreitung der hochinfektiösen Omikron-Variante des Coronavirus verschoben und fand nun erstmals in Las Vegas sowohl drinnen als auch draußen statt, das Publikum saß zum großen Teil an kleinen Tischchen. «Wir haben es geschafft, Leute, besser spät als nie», kommentierte Moderator Noah. Rund 13 000 Mitglieder der Recording Academy entscheiden über die Preisträger der Grammys, die zu den begehrtesten Musikpreisen der Welt zählen.

Besondere Ehre für Bühnen-Crews

Stars und Bands wie Billie Eilish, Brandi Carlile, Lil Nas X, die Brothers Osborne, BTS, Justin Bieber, H.E.R., Nas, Lenny Kravitz und Lady Gaga traten bei der Veranstaltung auf. Anmoderiert wurden sie teilweise von Mitgliedern ihrer Bühnen-Crew, die dadurch nach der langen Pandemie-Zeit ohne Live-Auftritte besonders geehrt werden sollten.

Für besondere Aufmerksamkeit sorgten auch zwei selten gewordene Gäste: Die gesundheitlich angeschlagene 78-jährige Sängerin Joni Mitchell moderierte unter sichtlichen Mühen ihre Kollegin Carlile an und der an Alzheimer erkrankte Tony Bennett in einem kurzen Video seine frühere Duett-Partnerin Lady Gaga. «Ich liebe dich, Tony. Wir vermissen dich», sagte Gaga nach ihrem Auftritt.

«Und jetzt wäre der Moment der Show gekommen, in dem ich die Foo Fighters angekündigt hätte», sagte Moderator Noah dann. Nach dem überraschenden Tod ihres Schlagzeugers Taylor Hawkins vor wenigen Tagen im Alter von nur 50 Jahren hatte die Band ihren Grammy-Auftritt aber abgesagt, sie konnte die drei gewonnenen Preise daher nicht persönlich in Empfang nehmen.

Des toten Hawkins wurde, wie zahlreichen weiteren im vergangenen Jahr gestorbenen Musikstars, bei der Gala speziell gedacht. Außerdem trat Eilish in einem T-Shirt mit einem Hawkins-Foto auf.

Von Christina Horsten, dpa