Andre Herzberg (l-r), Stefan Dohanetz, Jürgen Ehle, Andreas „Kulle“ Dziuk und Andre Drechsler sind Pankow. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa)

Ob es Frauenfiguren wie «Inge Pawelczik» oder Arbeiterjungs wie «Paule Panke» immer noch genau so gibt oder «Rock ’n‘ Roll im Stadtpark» getanzt wird, kann nicht so ganz festgemacht werden.

Dass die gleichnamigen Songs der Band Pankow ihre Zuhörer finden, ist dagegen sicher. Die Musiker touren zum 40-jährigen Jubiläum durch Ostdeutschland. «Wir sind mit den Leuten gemeinsam älter geworden, da ist eine Identifikation immer noch da», berichtet Gitarrist Jürgen Ehle der dpa. Der 65-Jährige hat durch sein unnachahmliches Spiel der Band den Sound verpasst. Genau den wollen auch Jahrzehnte nach ihrer Gründung offenbar noch viele hören.

Sie wollten keine Stars sein

Die Stones des Ostens nennen Pankow manche – zu erzählen ist aber eher, dass die Musiker in der DDR in keine Schablone passten. Die Band schaffte es, eine der einflussreichsten im Osten zu werden und dennoch anders zu sein. Vielleicht hat das auch mit dem Beginn der wechselvollen Geschichte der Band zu tun, die sich aus Musikern der in den Westen gegangenen Sängerein Veronika Fischer formte. Jürgen Ehle, Frank Hille, Jäcki Reznicek und Rainer Kirchmann holten 1981 den charismatischen Sänger André Herzberg mit ins Boot. «Das Kreuz auf dem Gesicht des einen bedeutete für den nächsten die Zukunft», schreibt Herzberg zum Bandeinstand in seinem vor kurzem erschienenen Buch «Keine Stars – mein Leben mit Pankow» (Aufbau-Verlag).

Vielleicht lag es aber auch daran, dass die Band mit ihrem authentischen, deutschsprachigen Rock den miefig gewordenen ostdeutschen Kulturbetrieb Anfang der 80er Jahre ordentlich aufwirbelte und den Befindlichkeiten der häufig zur wortlosen Masse Gewordenen eine Stimme gab. Das allerdings war oft nicht einfach, erinnert sich Ehle. «Die Glaubwürdigkeit nahm ab, je mehr sich Musiker vereinnahmen ließen.»

Auch die Stasi hörte genau hin

Als die Texte kritischer und die Beschreibungen des DDR-Alltags genauer wurden, kamen auch die Repressalien. Die bereits fertig produzierte LP «Paule Panke» wanderte Jahre in den «Giftschrank», obwohl die zugehörige Rockoper live aufgeführt wurde und großen Zuspruch fand. Für Herzberg war die Figur Paule Panke damals «der Gegenentwurf zur Ideologie des kommunistischen Überhelden, der uns propagiert wurde», wie er unter anderem schreibt.

Andere Titel der Band bekamen Rundfunk-Verbot. Bei Auftritten kam es mitunter zu absurden Szenen. So durfte 1982 die Geschichte des einvernehmlichen One-Night-Stands mit «Inge Pawelczik» einmal nicht öffentlich gesungen werden, weil eine Direktorin gleichen Nachnamens für ein Spielverbot gesorgt hatte, wie Herzberg berichtet. Auch die Staatssicherheit hörte bei Auftritten genau hin. Trotzdem durfte die Band im Westen auftreten, darunter 1984 im «Quartier Latin» in West-Berlin. 1985 tourte die Band durch Westdeutschland. Nach der Tour blieb Schlagzeuger Hille im Westen, Stefan Dohanetz kam für ihn.

Bis 1985 konnte die Band drei LPs veröffentlichen, «Aufruhr in den Augen» (1988) wurde dann zur Chronik der sterbenden DDR. Gemeinsame Konzerte mit der Big Band der sowjetischen Streitkräfte wurden ein Publikumserfolg und läuteten 1989 gleichzeitig den Abgesang des Landes ein. Inhaltlich sei es danach auch mit der Band nicht weitergegangen, erinnert sich Ehle.

Nach der Wende mussten sie sich neu justieren

Mit dem Fall der Mauer sank dann zunächst das Interesse an der ostdeutschen Musikszene. Auch Pankow bekam das zu spüren. Um die Zuhörer musste plötzlich gekämpft werden, erinnert sich der Gitarrist. «Erstmal ist eine bestimmte Funktion weggefallen, eine Art Sprachrohr auch für andere zu sein. Das ist komplett weggefallen, weil die Leute ja auch plötzlich in der Lage waren sich zu äußern. Man brauchte nicht mehr zwischen den Zeilen zu lesen.»

Umbesetzungen kamen hinzu, Pausen und Brüche folgten. Zeitweilig verließ Sänger Herzberg die Band, Andreas (Kulle) Dziuk kam als Keyboarder. Die Nachricht, dass Ehle inoffizieller Mitarbeiter für die Stasi war, schlug zu dieser Zeit eine Kerbe in die Vertrautheit der Musiker untereinander und sorgte für Unverständnis.

Doch es ging weiter, die Band feilte an ihrem künstlerischen Ausdruck und blieb sich treu. Mit ihren Texten blieben sie weiter Chronisten von gesellschaftlichen Auf- und Umbrüchen. «Für jede neue Tour suchen wir uns Sachen aus, die wir entweder lange nicht gespielt haben oder etwas verändern wollen

Viele junge Leute im Publikum

Inzwischen feiert Pankow ein Jubiläum nach dem anderen, frotzelt mal über das Alter («Is halt so»). Auch wenn die Tour zum 40. Geburtstag coronabedingt kleiner ausfällt – jeder zieht sich ein Stück Energie raus, wie Ehle berichtet.

Seit ein paar Jahren beobachtet er «außergewöhnlich» junge Leute im Publikum, die teilweise jeden Text mitsingen – vermutlich von den Eltern weitergegeben, glaubt Ehle. Vielleicht seien Texte aber auch zeitlos geworden. «Manchmal ist es so, dass die Worte von damals eine andere Bedeutung bekommen.» Und was hat sich nach 40 Jahren außer Falten im Gesicht noch verändert bei der Band? «Wir waren früher deutlich näher an den Fans dran», sagt der Gitarrist und schiebt noch lachend hinterher: «Natürlich auch wegen der Mädels.»

Tourdaten: Bernau (6.11.), Halle (11.11.), Leipzig (3.12.), Dresden (10.12.), Cottbus (11.12.) und Berlin (12./13.12.)

Von Silke Nauschütz, dpa