Der Goldene Leopard, Hauptpreis beim jährlichen Filmfest von Locarno. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Trezzini/epa/Keystone/dpa)

Beim Filmfestival von Locarno hat das Historiendrama «Die Rache ist mein, alle anderen zahlen bar» des indonesischen Regisseurs Edwin den Hauptpreis Goldener Leopard gewonnen.

Der von deutschen Produzenten mitfinanzierte Spielfilm fesselt künstlerisch originell und spiegelt gedankenreich indonesische Geschichte, wobei er auch spannende Fragen zur Geschlechtergerechtigkeit stellt.

Wie beim Hauptpreis würdigten die Jurys des 74. Internationalen Filmfests der Stadt am Lago Maggiore in der Schweiz überwiegend Werke und Einzelleistungen, die zugleich publikumswirksam und anspruchsvoll sind. Der Publikumspreis ging an einen Anti-Kriegs-Thriller aus Österreich: an «Hinterland» von Stefan Ruzowitzky. In dem Film spielt Matthias Schweighöfer mit. Ruzowitzky gewann 2008 den Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film mit seinem Werk «Die Fälscher».

Auszeichnung im Nachwuchswettbewerb

Im Nachwuchswettbewerb «Cineasti del presente» (Filmemacher der Gegenwart) gewann Saskia Rosendahl, die derzeit im Kino in der Kästner-Verfilmung «Fabian oder der Gang vor die Hunde» von Dominik Graf zu sehen ist, die Auszeichnung als beste Schauspielerin. In der Romanverfilmung «Niemand ist bei den Kälbern» der deutsch-iranischen Regisseurin Sabrina Sarabi verkörpert sie eine Frau, die mit dem Leben auf dem Land hadert. Rosendahl sagte: «Ich möchte den Preis mit dem ganzen Team teilen, denn wir wissen ja, Filmen ist Teamarbeit.»

Produzenten aus Deutschland konnten mit der internationalen Gemeinschaftsproduktion «Zeros and Ones» einen weiteren Erfolg verbuchen. Hollywood-Legende Abel Ferrara («Bad Lieutenant») bekam die Auszeichnung als bester Regisseur, auch wenn dieser Polit-Thriller mit Ethan Hawke von Publikum und Kritik wegen seiner verklausulierten Erzählweise sehr kontrovers aufgenommenen wurde.

Spezialpreis der Jury

Einhelligere Zustimmung fand die Vergabe des Spezialpreises der Jury des Hauptwettbewerbs an das Historiengemälde «A New Old Play» des chinesischen Regisseurs Qiu Jiongjiong. Der bisher als bildender Künstler und Dokumentarfilmer bekannte Qiu Jiongjiong gibt damit sein Debüt als Spielfilm-Regisseur. Er überrascht mit einer fast magischen Poesie, indem er keine realistischen Bilder anbietet, sondern ausschließlich Szenen in Theaterkulissen.

Als beste Schauspielerin im 17 Filme umfassenden Hauptwettbewerb wurde die Newcomerin Anastasiya Krasovskaya in der Milieustudie «Gerda» von Regisseurin Natalya Kudryashova (Russland) ausgezeichnet. Ebenso viel Zustimmung fand die Ehrung von Mohamed Mellali und Valero Escolar in der pointenreichen Arbeiterkomödie «Sis dies corrents» («The Odd-Job Men») der spanischen Filmregisseurin Neus Ballús.

Die bereits am Nachmittag verkündeten Preisträger wurden am Samstagabend auf der Piazza Grande des Ferienortes im Tessin vorgestellt.

Dort erst wurde den Tausenden Besuchern der Freiluft-Gala verkündet, welcher Film den per Zuschauerabstimmung vergebenen Publikumspreis gewonnen hat. In Ruzowitzkys formal ausgetüfteltem Film «Hinterland» überrascht der deutsche Filmstar Matthias Schweighöfer («Keinohrhasen», «Schlussmacher», «100 Dinge») als Charakter-Interpret. Den Publikumspreis gewinnt ein außerhalb aller Wettbewerbe auf der Piazza gezeigter Film.

Ganz zum Schluss

Zum ultimativen Festival-Abschluss bekam der vor allem für zahllose Horrorfilme wie «Suspiria» (1977) bekannte italienische Filmregisseur Daria Argento (80) einen Ehrenleoparden für sein Lebenswerk. Er wurde ihm von Hollywood-Regie-Legende John Landis («Blues Brothers») überreicht. Der 71 Jahre alte Landis war schon am Freitagabend mit einem Ehrenpreis des Festivals ausgezeichnet worden.

Dem Festival von Locarno gelang es 2021 mit dem neuen künstlerischen Direktor Giona A. Nazzaro trotz der durch die Pandemie erschwerten Bedingungen, nicht nur Filmkunstfreunde, sondern auch Massengeschmack zufrieden zu stellen. In einem «Tagblatt»-Interview hatte der Kritiker und Festivalleiter gesagt: «Die vermeintliche Opposition zwischen Autorenkino und Unterhaltung fand ich immer etwas gezwungen.» Und fast schon nebenbei zeigte Nazzaro deutlich: Wie gut digitale Angebote auch sein mögen – sie können das wirkliche Kinoerlebnis nicht ersetzen.

Wie das Festival am Sonntag bilanzierte, besuchten während der elf Tage 78.600 Zuschauer die Vorführungen. Auf der Piazza Grande wurden 29.700 Zuschauer gezählt, in den Kinosälen 48.900 (etwa 50 Prozent weniger als 2019, was auch auf die wegen Schutzmaßnahmen reduzierte Kapazität der Säle zurückzuführen sei). Das 75. Locarno Film Festival ist für 3. bis 13. August 2022 geplant.

Von Peter Claus, dpa