2020 fiel das «Tribeca Film Festival» der Pandemie zum Opfer. Die Vorfreude auf den New Yorker Filmsommer ist groß. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Peter Foley/EPA/dpa/Archivbild)

Das Filmfestival von Tribeca hat vom ersten Tag an mehr leisten müssen, als nur neue Filme zu zeigen – schon beim Auftakt 2002 ging es stattdessen darum, einer gebeutelten Stadt ihre Hoffnung zurückzugeben.

«Das Festival ist mit der Mission entstanden, nach dem 11. September Menschen zusammenzubringen», erinnert sich Schauspieler Robert De Niro an die Anfangstage nach den Terroranschlägen 2001. Er ist einer der Gründer des Festivals und wollte einst mit seinen Mitstreitern ein Zeichen für die künstlerische Widerstandskraft der Stadt setzen.

So gesehen könnte die diesjährige Ausgabe genau das sein, was die im vergangenen Jahr von der Corona-Pandemie stark getroffene Metropole braucht. Vom 9. bis 20. Juni wird es fast ausschließlich Open-Air-Vorführungen vor Live-Publikum in allen fünf Stadtteilen geben. Die Gala zur Preisvergabe am 19. Juni markiert außerdem die erste Veranstaltung nach der Pandemie in der berühmten Radio City Music Hall im Herzen Manhattans.

Die New Yorker kommen wieder zusammen

Das Festival soll nach rund 33.000 Toten in der Stadt das nächste Zeichen einer Rückkehr zur Normalität in der Weltstadt sein. «Jetzt, wenn New York aus dem Schatten von Covid-19 tritt, scheint es nur folgerichtig, die Menschen wieder persönlich für unseren 20. Geburtstag zusammenzubringen», sagt De Niro, einer der berühmtesten Bürger Tribecas, ein Stadtviertel im Südwesten des Stadtteils Manhattan.

Gestartet als Nachbarschafts-Idee, ist aus dem Tribeca inzwischen ein großes kommerzielles Projekt geworden. Seit 2019 hält Lupa Systems einen Mehrheitsanteil an Tribeca, eine Investmentfirma von James Murdoch, dem mit der Familie zerstrittenen Sohn des rechtskonservativen Mediengiganten Rupert Murdoch (Fox News). Dennoch zählt das Filmfestival nicht zur weltweiten Spitzenliga im Branchenkalender. Cannes und Sundance sind wichtiger fürs Geschäftliche, die Berlinale und die Filmfestspiele in Venedig sind künstlerisch mutiger, und sogar in New York selbst gibt es mit dem Film Festival einen publikumsträchtigen Konkurrenten mit großer Anziehungskraft.

Und trotzdem: Der offen zur Schau getragenen Liebe für New York tut das keinen Abbruch, auch der Eröffnungsfilm in diesem Jahr spielt mit ihr. «In The Heights» heißt die bunte Musical-Geschichte über das Latino-Viertel Washington Heights, in das sich kaum Touristen verirren, wo aber seit Jahrzehnten vor allem Latinos eine der letzten vibrierenden Ecken Manhattans prägen.

Lateinamerika-Flair im Norden Manhattens

Der Film hat mit seinen mitreißenden Tanzszenen das Zeug zum Sommer-Blockbuster und wurde einst für die Bühne erdacht von Lin-Manuel Miranda, der seit seinem gigantischen Erfolg mit dem Polit-Musical «Hamilton» in New York ohnehin verehrt wird. Die Weltpremiere findet dann auch nicht in Tribeca im Südzipfel Manhattans statt, sondern eben hoch im Norden in Washington Heights – zeitgleich mit rasend schnell ausverkauften Outdoor-Vorführungen in der Bronx, Queens, Brooklyn und auf Staten Island.

Im offiziellen Wettbewerb des Festivals läuft der Film nicht, aber der hat ohnehin eher eine untergeordnete Bedeutung. 66 Spielfilme und Dokumentationen werden darin gezeigt. Mehr als sonst soll es außerdem um Stoffe schwarzer Filmemacher gehen, und ein eigens geschaffener Preis für Aktivisten, der «Harry Belafonte Voices for Social Justice Award», wird in diesem Jahr erstmals vergeben. Ihn bekommt Stacey Abrams, eine Politikerin der Demokraten, die seit Jahren als Schwarzen-Rechtlerin gegen Ungerechtigkeiten im US-Wahlsystem kämpft.

Neu beim Filmfestival sind in diesem Jahr auch eigene Programmbereiche für Videospiele und Podcasts. Passenderweise hat das Festival einen neuen Namen, der den «Film» nicht mehr beinhaltet: «Tribeca Festival». Vielleicht ein Zeichen dafür, dass das Tribeca sich auch selbst nicht nur als branchenrelevantes Filmfestival versteht – sondern als Schaufenster für die kreativen Geschichtenerzähler dieser unzerstörbaren Metropole.

Von Christian Fahrenbach, dpa