Nico Seyfrid (l-r), Tarek Ebéné und Maxim Drüner von K.I.Z beim Musikfestival Lollapalooza 2018. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Britta Pedersen/dpa-zentralbild/dpa)

Mordfantasien, Humor und politisches Engagement: Wohl kaum eine deutsche Band tanzt seit Jahren so geschmeidig auf der Rasierklinge des guten Geschmacks, wie die Berliner Rapper von K.I.Z..

Nachdem sie vor sechs Jahren beim Nummer-Eins-Album inklusive gleichnamigen Überhit «Hurra die Welt geht unter» erste Anzeichen von Altersernsthaftigkeit durchblitzen ließen, zeigt nun schon der Titel des neuen Albums «Rap über Hass» (V.Ö. 28.05.), wohin die Reise geht. Nämlich zurück zur Kernkompetenz, wie das Trio der Deutschen Presse-Agentur erzählt: «Progressiv Leute beleidigen.»

«Ich fand es immer schade, dass sich unter Rappern immer Gleichgesinnte beleidigen. Und ich fand es schön, mal Leute zu nehmen, mit denen man wirklich einen Konflikt hat», erklärt Rapper Maxim. Dabei gehen er und seine Kollegen Nico und Tarek nicht sonderlich subtil vor – sondern eher nach dem Prinzip Brechstange.

Deutlich wird das schon am Titelsong. Der wird mit einer Rede des AfD-Politikers Bernd Baumann im Bundestag eingeläutet, der K.I.Z.-Zeilen zitiert und sich über gewaltverherrlichende Texte echauffiert. Die musikalische Antwort der Rapper? Ein Song, der vor Mord- und Gewaltfantasien mehr als trieft. Das kann man geschmacklos finden. Oder man setzt es in einen Kontext.

Die AfD-Rede prangerte ein Konzert gegen Rechts nach den Ausschreitungen in Chemnitz 2018 an. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte für das Konzert geworben und musste einiges an Kritik einstecken – auch, weil K.I.Z. dort auftreten sollten. «Das muss man wirklich mal festhalten, dass wir es hinbekommen haben, dass Nazis auf Political Correctness pochen», freut sich Maxim.

Und hier liegt vielleicht ein Stück weit der Kern dessen, was K.I.Z. ausmacht: So lange provozieren, bis sich die Gegenseite in ihrer Reaktion selbst entlarvt. Dass dabei Grenzen überschritten werden, ist Teil des Konzepts. «Es gibt kein Thema, das tabu ist. Ich finde, das hat immer mit Ausgewogenheit zu tun», sagt Nico. Auch für Maxim gibt es keine Grenze des Sagbaren: «Mich interessiert auch die Frage einfach nicht, was man darf. Das entscheidet dann die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien oder irgendwelche Staatsanwälte.»

Vor knapp sechs Jahren veröffentlichten die Berliner ihr letztes Studioalbum «Hurra die Welt geht unter». Ein Konzeptalbum, das Weltuntergang und die Utopie einer kommunistischen Weltordnung besang. Feature-Gast war damals Pop-Sänger Henning May. Seitdem hat sich für die Mit-Dreißiger, die 2005 ihren Erstling «Das RapDeutschlandKettensägenMassaker» auf den Markt warfen, viel getan. Der Vierte im Bunde – DJ Craft – verließ die Band, der Rest startete Seiten- oder Soloprojekte.

Zum Jahreswechsel meldeten sich K.I.Z. mit einem unangekündigtem «Album zum Album» zurück. «Das Geheimnis der unbeglichenen Bordellrechnung» sei einfach aus einem Überfluss an Ideen entstanden, erzählt Maxim. Mit dem regulären Studioalbum «Rap über Hass» geht es nun wieder stärker in Richtung der Anfänge. Grob, brachial, verstörend. Mit Musikvideos, die an Splatterfilme erinnern. Aber auch mit der ein oder anderen versteckten Botschaft.

Wenn K.I.Z. etwa rappen «Ich bin kein Sexist/Ich ficke Euch alle» – dann wirkt das zunächst wie eine recht plumpe Ausflucht aus dem Vorwurf, sexistische Stereotype zu verbreiten. In demselben Song sind aber auch Aufnahmen aus Frauenkonzerten eingebaut, die die Rapper regelmäßig geben. Bei den Events haben Männer keinen Zutritt. «Es ist einfach schön zu sehen, was da für eine Atmosphäre ist und wie wohl sich alle auf diesen Konzerten fühlen», erzählt Tarek.

Da ist er wieder, der Kontext. «Da sind jetzt zwölftausend Mädels und du lieferst dich denen aus. Jede Zeile kriegt eine andere Bedeutung, wenn du merkst: Die Macht ist auf der anderen Seite», sagt Maxim. Außerdem, fügt Nico hinzu, sei es auch immer schön, «wenn dann Männer auf einmal auf Gleichberechtigung pochen und ein Konzert für Männer fordern». Auch hier provozieren K.I.Z. Reaktionen.

Beim Hören von «Rap über Hass» drängen sich Konzerterinnerungen zwangsläufig auf. Viele Beats schreien nach Moshpit, die Refrains sind Mitgröhl-Garanten. Aber auch Ausflüge in Oldschool-Beats oder Autotune-Experimente sind zu finden. Weniger Konzept, mehr Blumenstrauß. Was sich jedoch im Vergleich zum Vorgänger nicht aufdrängt: Der eine Hit, der auch im Mainstream funktionieren könnte. Wobei das ohnehin nie der Plan war, wie Maxim erzählt. «Selbst wenn wir mal einen Song hatten, der radiotauglich war – wir waren trotzdem K.I.Z. und damit fürs Radio verbrannt.»

Von David Hutzler, dpa