Die Komikerin Carolin Kebekus arbeitet sich am Katholizismus ab. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Rolf Vennenbernd/dpa)

Wenn Carolin Kebekus als kleines Mädchen ihren Teller nicht leer aß, sagte ihre Oma immer zu ihr: «Der Jesus ist ganz traurig! Der Jesus weint!» Kebekus imitiert den schlesischen Akzent ihrer Großmutter, wenn sie die Sätze heute nachspricht.

Die derzeit erfolgreichste deutsche Komikerin und Grimme-Preisträgerin 2021 hat sich immer wieder kritisch mit der katholischen Kirche auseinandergesetzt. Einmal nahm der Westdeutsche Rundfunk eine Kirchensatire von ihr aus dem Programm, in der sie als rappende Nonne an einem Kruzifix leckte und vor dem gekreuzigten Jesus den Rock hob. Mehrere Morddrohungen gingen damals ein. Für einen Beitrag in der «heute-show» bewarb sie sich bei den deutschen Bischöfen als Päpstin. Kommentar von Kardinal Meisner: «Da haben Sie nicht die Figur dazu.»

Doch es ist keineswegs so, als hätte sie nur Hohn und Spott für die Kirche übrig. Eher scheint es so zu sein, dass sie sich gerade deshalb so an dem Thema abarbeitet, weil ihr der Glaube etwas bedeutet. Damit steht sie wohl für viele Frauen in Deutschland.

Carolin Kebekus wurde 1980 in eine urkatholische Kölner Familie hineingeboren. Die Eltern waren stark in ihrer Pfarrgemeinde engagiert, machten dort Musik, betreuten Gruppen, gestalteten Gottesdienste mit. «Das war so eine Art Hippie-Katholizismus, ganz familiär», erinnert sich Kebekus.

Ihre aus Schlesien stammende Oma und Uroma repräsentierten eher den traditionellen Katholizismus. «Meine Oma war eine ganz strenge Katholikin, durch sie habe ich diesen «strafenden Gott» erfahren: Der Gott, der immer guckt. Jesus sieht alles! Ich habe als Kind immer so über die Dachspitzen geguckt, ob da wohl irgendwo Jesus ist und mich beobachtet.» Und dann die Beichte, mit acht Jahren, vor der Erstkommunion: «Um da überhaupt etwas sagen zu können, habe ich mir etwas ausgedacht. Und hinterher gedacht: Oh nein, jetzt hab ich den Pfarrer belogen – das ist erst recht Sünde!»

Als ihre Uroma starb und die Familie anschließend das Zimmer ausräumte, fand sich dort eine ganze Sammlung von Kreuzen, Kelchen und Heiligenbiografien. Damals empfand Kebekus das nur als schräg. «Heute denke ich natürlich: Klar, das hat ihr wahnsinnig geholfen. Sie musste zwei Weltkriege durchstehen.»

Außer in der Kirche war die Familie auch im Kölner Karneval schwer aktiv. Deshalb sagt Kebekus heute: «Ich hatte quasi zwei große Institutionen, die mein Leben geprägt haben: die katholische Kirche und den Kölner Karneval.» Je älter sie wurde, desto mehr merkte sie bei beiden: «Ich bin da aufgrund meines Geschlechts nur ein Mitglied zweiter Klasse.»

Der erste Akt der Loslösung kam mit 14, als sie die Firmung verweigerte, einen für Katholiken wichtigen Ritus, der die Verbindung zur Kirche stärken soll. Sie wurde daraufhin zum Pfarrer beordert und musste sich rechtfertigen. «Das war unangenehm. Man ist da ja auch in einem unangenehmen Alter.» Den meisten Familienmitgliedern fiel zum Glück nicht weiter auf, dass sie die Firmung ausfallen ließ. «Aber als sich dann mein jüngerer Bruder hat firmen lassen, dieser kleine Verräter, da hat meine Oma plötzlich gesagt: «Carolin, ich kann mich gar nicht mehr an deine Firmung erinnern!»»

Aus der Kirche ausgetreten ist sie erst viel später, mit über 30 Jahren. Auslöser war der Fall einer jungen Frau, die in Köln nach einer mutmaßlichen Vergewaltigung an zwei katholischen Krankenhäusern abgewiesen wurde – offenbar wegen Bedenken, dass sie die «Pille danach» verlangen könnte.

«An der Stelle wurde mir klar, dass Jesus mit der heutigen Kirche nichts zu tun haben kann», sagt Kebekus. «Ich fand das so schrecklich, dass ich in einer Spontanaktion ausgetreten bin. Damals konnte man ohne Termin ins Amtsgericht reingehen und an einem Automaten austreten. Das war noch viel einfacher als heute.» Als sie einige Monate später ihrem Vater davon erzählte, erfuhr sie zu ihrer großen Überraschung, dass er auch schon ausgetreten war.

Sie hat den Schritt nie bereut. «Es wird ja immer absurder», findet sie und verweist auf das kürzlich vom Vatikan erlassene Verbot, homosexuelle Paare zu segnen. «Wie unmenschlich ist das, dass die Kirche sich hinstellt und sagt: «Wir segnen keine homosexuellen Paare, denn Homosexualität ist Sünde, aber wir segnen das neue Absperrgitter vor dem Kölner Dom.»»

Doch gerade wenn sie sich darüber aufregt, spürt sie: «Mich triggert das so krass, weil das alles tief in mir drin steckt.» Auch nach ihrem Austritt betrachtet sie sich weiterhin als Katholikin und unterstützt die Reformbewegung Maria 2.0, die sich für die gleiche Behandlung von Frauen und Zugang zu allen Ämtern einsetzt.

Maria 2.0 hatte sie auch ein kirchenkritisches Video gewidmet, das im letzten Jahr in der ersten Staffel der «Carolin Kebekus Show» lief. Auch in der neuen Staffel, die am Donnerstag (27. Mai) im Ersten startet, wird das Thema Kirche eine Rolle spielen. «Es geht mir nicht in meinen Schädel rein, wie man sagen kann: «Oh, die treten alle aus. Wir haben auch keine Priesteranwärter mehr. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die wollen sich engagieren und die Kirche öffnen. Die haben richtig Bock. Aber nee, das machen wir nicht. Dann sollen lieber alle austreten.»»

Theoretisch kann sie sich vorstellen, irgendwann auch wieder in die Kirche einzutreten. «Wenn Frauen und diversen Menschen der Zugang zu allen Ämtern gestattet werden würde, wenn das Zölibat abgeschafft werden würde, dann geht’s wieder dahin, was Jesus wollte. Jesus, der gesagt hat: «Hey Leute, wisst ihr eigentlich, dass Gott alle Menschen liebt?» Mind blowing! Wenn alle an einem Tisch sitzen und die Liebe feiern würden, um es jetzt mal ganz romantisch zu sagen, dann würde es wieder Sinn machen, und dann wäre ich auch wieder dabei.»

Während sie sich das überlegt, kommt ihr die Frage: «Müsste ich mich dann eigentlich wieder taufen lassen?» Das nicht, aber ein Gespräch mit einem Pfarrer wäre fällig. Prustendes Gelächter bei Kebekus. «Das wär natürlich geil. Kann ich mir schon richtig vorstellen, wie er da steht und sagt: «Aha, und jetzt kommst du wieder angekrochen, was?»

Von Christoph Driessen, dpa