Schauspielerin Ulrike Johannson im Studio der Arena Synchron in Berlin. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa)

Für Besucher aus dem Ausland klingt es putzig. Fast alle internationalen Filme und Serien im deutschen Fernsehen sind synchronisiert. Schon Alexis, die Diva aus dem «Denver Clan», sprach deutsch.

Ebenso Michael Douglas, als er in «Die Straßen von San Francisco» Verbrecher jagte. Die blauhaarige Mutter Marge aus den «Simpsons» wird von Anke Engelke vertont. Synchronisierte Fassungen haben im deutschen Fernsehen eine lange Tradition.

In den Studios brummt es, Serien und Streaming boomen seit Jahren. Dazu kommt, dass die Leute in der Corona-Zeit noch mehr Zeit vor dem Laptop oder dem Fernseher verbringen – Stoff muss her. Ob «Inspector Barnaby», «Das Damengambit», «Bridgerton», «The Crown» oder «Fleabag»: Serien ersetzen für viele gerade das Kino oder die Kneipe.

Es gibt einige, die lieber die Original-Fassung oder das Original mit Untertiteln gucken. Sie sind nach Branchenangaben hierzulande aber die Minderheit. «Das Publikum dafür ist klein», sagt Björn Herbing, Geschäftsführer von Arena Synchron in Berlin. «Die Erfahrung der Anbieter ist, dass die Menschen Untertitel nicht mögen.» Das Studio ist auf Serien spezialisiert. Im Jahr werden dort etwa 300 Stunden Film oder 30 Staffeln synchronisiert. Serien haben sich verändert. Sie werden heute oft nicht als einzelne Episode, sondern als große Geschichte, wie ein zehn Stunden langer Film erzählt. «Das wächst immer mehr zusammen», so Herbing, der auch Vorstand des Synchronverbandes ist.

Die Produktion weltweit läuft derzeit heiß. «Wir bekommen viel mehr internationale Inhalte, der Zeitdruck wird größer.» Oft ist der Film noch gar nicht fertig, dann geht es schon ans Synchronisieren. Die Inhalte der von den Fans mit Spannung erwarteten Serien sind streng vertraulich. Gerade die US-Anbieter sind da sensibel. Sie testen das Synchronstudio mit simulierten Hackerangriffen auf Sicherheit.

Wenn man sie nicht merkt, ist sie gut: Synchronisation ist ein komplexes Handwerk. Erst wird das Drehbuch aus der Quellsprache übersetzt, das kann heutzutage auch mal brasilianisches Portugiesisch oder Hebräisch sein. Später wird ein Dialogbuch gefertigt. Das ist für die Aufnahme in «Takes» eingeteilt, etwa zwölf Wörter lange Sätze. Das ist auch die Einheit, nach der die Sprecher und Sprecherinnen gebucht und bezahlt werden. Das Ganze muss «lippensynchron» sein, die Mundbewegung muss passen. Wer es gut machen will, muss laut Herbing flexibel sein: Es kann sein, dass man morgens einen Mörder und nachmittags einen Erzieher spricht.

«Ich bin auch schon mal erschossen worden», erzählt die Schauspielerin Ulrike Johansson. Sie wartet gerade vor einem Studio auf ihren Einsatz. Drinnen ist Corona-Lüftungspause. Heute spricht sie eine Pathologin in einer US-Serie, eine «wunderbare Person». Im Studio steht sie vor einem Monitor, auf dem ihr Text steht. Hinter einer Scheibe sitzt der Regisseur, in der Nähe von Johansson die Cutterin.

An der Wand läuft ein Ausschnitt aus der Serie, in der eine Runde am Esstisch sitzt. «Wenn Ihnen diese Beziehung wichtig ist, müssen Sie vielleicht den ersten Schritt wagen», sagt Johansson in ihrer Rolle. Sie wiederholt das geduldig immer wieder, mit wechselnder Betonung, bis es sitzt. Ein «Tja» am Satzanfang wird durch ein «Nun ja» ersetzt. Das passt besser. Es stimmt, was Studiochef Herbing sagt: Gutes Schauspiel gehört dazu. Und man darf als Sprecher nicht schnell frustriert sein.

Dass in Deutschland so viel synchronisiert wird, hat auch mit der Geschichte zu tun, wie Herbing erklärt. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag die Kulturszene am Boden, die Amerikaner wollten liberale Inhalte nach Deutschland bringen. Die US-Filme wurden synchronisiert – das hat sich bis heute gehalten.

Bei Netflix heißt es: «Die Synchronfassung ist enorm wichtig für den lokalen Erfolg einer Produktion.» Der Streaming-Anbieter synchronisiert in bis zu 27 Sprachen, in der Regel dauert der Prozess zwischen 10 und 20 Wochen. «Deutschland ist historisch ein Synchronmarkt. Das hiesige Publikum ist es überwiegend gewohnt, seine Lieblingsschauspieler mit ihren bekannten deutschen Stimmen zu hören, insofern gibt es traditionell eine Vorliebe für Synchronfassungen.»

Das Handwerk ist eine Nische: In Deutschland gibt es weniger als 20 000 Schauspieler und Schauspielerinnen, hauptberuflich im Synchronfach sind es vielleicht 500, wie der Experte Till Völger vom Bundesverband Schauspiel schätzt. Der Boom der TV-Produktionen bringt Zeitdruck. «Es muss immer schneller gehen und im Idealfall auch günstiger.» Bei der Qualität gebe es «gigantische Spannen», so Völger.

Eine schlechte Synchronisation? Klingt hölzern, die Anschlüsse passen nicht, auf der Stimme ist zu viel Druck. Oder: «Wenn es nicht gut gemacht ist, flucht jeder auf die gleiche Weise.» Sehr gut findet Völger die deutsche Fassung von «Game of Thrones» – wobei die Aussetzer habe, die nicht zum Rest passten. Er lobt die Arbeit bei der Serie «Stranger Things», die sei gut gemacht. «Hut ab!»

In der Synchronbranche spiegelt sich die Gesellschaft: Noch recht jung in Deutschland ist die Debatte um mangelnde Vielfalt bei den Sprechern und Sprecherinnen, um Gender, Stereotypen und Rassismus. Studiochef Herbing sagt, die Branche nehme das Thema sehr ernst. «Wir wollen mehr Vielfalt.» Ein Castingaufruf für «People of Color» soll dabei helfen – damit sind Menschen gemeint, die nicht als weiß wahrgenommen werden. Die deutsche Fassung von «Kevin allein zu Hause» wurde wegen rassistischer Ausdrücke neu gemacht, wie Herbing erzählt.

Wie viele in der Filmbranche sind auch die Synchronleute von der Pandemie betroffen. 2020 stand der Betrieb einen Monat still, dann wurden die Studios umgebaut. Statt mit Dialogbüchern aus Papier wird bei Arena Synchron mit Monitoren gearbeitet. Die größte Veränderung: Die Sprecher und Sprecherinnen müssen wegen der Ansteckungsgefahr fast alleine im Studio sein. So wird eine Gruppe von sieben Reportern von sieben Sprechern einzeln eingesprochen, hinterher wird es abgemischt. Es sind also Einzelkämpfer statt eines Teams. Studiochef Herbing hofft, dass das nach dem Ende der Pandemie vorbei ist. «Es wäre schön, wenn sich das wieder ändert.»

Von Caroline Bock, dpa